Erst nach den
Dichtern haben die bildenden Künstler den Weg zum romantischen Motiv des Denkmalkults
gefunden. Josef Georg Meinert (1773-1844), Prager Universitätsprofessor und Freund Josef Dobrovskýs, der Begründer der wissenschaftlichen
Folklore in den böhmischen Ländern, schreibt in der Einleitung seiner
Volksliedersammlung „Fylgie“ (1817) aus dem mährischen Kuhländchen, die er,
von Schlegel, Grimm, den Mitgliedern der „Wiener Märchengesellschaft“, ja sogar
von Goethe dazu aufgemuntert, in Partschendorf bei Neutitschein (Bartošovice) in Mähren
herausgegeben hatte, im Anhang („Das Kuhländchen und seine Bewohner“): „Hochwald, Stramberg, Altitschein . . . Die beiden ersteren hat ein hoffnungsvoller
Künstler aus Wien, Herr Kupelwieser, in Oel gemalt, und ich biete seine gelungene Arbeit
dem Vaterlandsfreunde zur Benützung an, der etwa eine geschichtlichmalerische
Beschreibung der mährischen Burgen herauszugeben gedenkt, die von Tag zu Tag eine
unverständlichere Geheimschrift der Vorzeit werden.“15
Dieses Bekenntnis eines Gelehrten von europäischem Ruf zum Denkmalkult steht am Beginn
der Wirksamkeit der Schule Josef Hormayrs. Burgen, Vesten, Bergschlösser, Kirchen und
Ruinen sowie Friedhöfe werden zu vielbesuchten Orten des romantisch-sentimental
beeindruckten Natur- und Landschaftskultes im Sinne Byrons, sind jedoch in unseren
Ländern von starken vaterländischen Impulsen begleitet. Das Interesse des Wieners
Leopold Kupelwieser (1796-1862), der auch an anderen Orten Mährens kein Fremder war,
steht sichtlich im Zusammenhang mit dem mährischen Mitarbeiterkreis Hormayrs. Eine Reihe
von Jahren hindurch traf sich Hormayr mit seinen mährischen Korrespondenten auf dem
seinem Freund F. A. Salm gehörigen Schloß Raitz (Rájec) bei Brünn am Rande des
mährischen Karstes. Zu diesem Kreis gehören die beiden Horký, Franz Wilhelm und dessen
Sohn Josef Edmund, letzterer der Redakteur der Brünner Organe „Moravia“ und „Brünner Wochenblatt“, die dem Mitrovský-Kreis nahestanden. Aber auch der
Lexikograph J. J. Czikan und der gebürtige Fulneker August Rokert-Rokyta, ein Neffe des
Wiener Numismatikers Eckhel, gehören zu dieser Mitarbeitergruppe. Typisch für diesen
Kreis sind das gesteigerte Interesse am Schicksal des bekannten Tumbedeckels der Grafen
Salm, der seine endgültige Aufstellung in der Wiener Votivkirche finden sollte, und die
Bemühungen um ein würdiges Grabmonument für Josef
Dobrovský16. Feiern im Geiste des
Wartburgfestes vor den Denkmälern des Hl. Berges bei Olmütz veranstaltete mit seinen
Schülern der Olmützer, später Prager und Wiener Professor Leonhard Knoll. Hier klingt
in die frühen Formen des Denkmalkultes die erste Dissonanz des bürgerlichen
Nationalismus17. In Böhmen tragen Josef
Wenzig und Karl Egon Ebert im Geiste des doppelsprachigen Landespatriotismus zum
Denkmalkult bei - die Ebertsche „Vlasta“ ist lange Zeit hindurch das Vademecum;
Josef Navrátil hat sie für den Schloßbesitzer Veith in Liboch, dem Sitz des
Bolzano-Kreises, künstlerisch gestaltet. Šebastián Hnìvkovský, Alfred Meissner, W. A.
Gerle, Uffo Horn und Katharina Kloucžková variieren den Kult nach Talent und
Temperament. Grillparzers „Libussa“, „Ottokar“, Gerstenbergs „Johann Hus“ und Uhlands Balladen tragen das Motiv in weiteste Literaturkreise.
František Palacký hat mit seiner „Genealogie der Sternberge“ im Hormayrschen
Taschenbuch auf Dobrovskýs Empfehlung debütiert, und
Ludwig August Frankl zieht als Scholar von Burg zu Burg seines Vaterlandes, um später in
Wien seßhaft zu werden. In diese Zeit fallen die ersten böhmischen Burgenwerke von
Heber, Meissner, Goldhan, Schwoy und Schottky. Sie alle sind mit ihren österreichischen
Kollegen (Milde, Weintridt, Meisner, Sartory und den Jüngern des Erzherzogs Johann) bei
Alexander Louis Joseph de Laborde („Voyage pittoresque en Autriche“, 1809?) in die Schule gegangen. Selbst der alternde Prince de Ligne trägt mit seinem
Burgenrepertoire aus Galizien und Mähren zu dieser Thematik bei (Frain - Vranov n. D.).
Malerisch-historische Ansichten werden von den Arbeiten haupt- und nebenberuflicher
Topographen, wie Schaller für Böhmen und Schwoy für Mähren, abgelöst18.
In Wörlitz, Eisgrub, Laxenburg und Roßwald wurden Schloß- und Gartenarchitekturen aus
dem Umkreis Goethes, des Fürsten Pückler-Muskau und anderer nachgeahmt. Die Archäologie
nahm einen neuen Aufschwung; Namen wie Erzherzog Johann, Graf Kaspar von Sternberg und,
wenig später, František Palacký traten an die Spitze der im Entstehen begriffenen
Nationalmuseen. Viele Generationen von Lesern des Goetheschen „Wilhelm Meister“ entdeckten das Burgenmotiv als Bildungserlebnis. Längst war die Kunstreise für Maler und
Dichter ein integrierender Bestandteil ihres Programms geworden. Neben die Kunstprovinzen
Italien und Rheinland waren Böhmen und die Alpengebiete gleichberechtigt in den
Vordergrund getreten. Der junge František Palacký pilgert zu den Stätten der
Wirksamkeit von Johann Amos Komenský im nahen Fulnek. Provinzial- und Landesmuseen in
Teschen, Troppau und Brünn, endlich in Prag folgen dem Grazer Beispiel. Auf den
Schlössern legt der Adel Grundsteine für erneuerte Kunstkammern und neue Schloßmuseen
(Königswart, Friedland, Elbogen). Der Polyhistor Ferdinand Franz Wallraf, Begründer des
Museums in Köln, war eine Zeitlang Erzieher im Haus Sternberg in Böhmen gewesen. Über
F. A. Kolowrat und seinen Neffen Hanuš gehen Anregungen für den Denkmalschutz in die
Werke von Adalbert Stifter („Nachsommer“) und Božena
Nìmcová ein und, durch Vermittlung Friedrich Sylva-Tarouccas, des Enkels des
Numismatikers Franz Sternberg, in das Werk von Josef Mánes19.
lndessen war ein Ruf nach präventiver Denkmalpflege aktuell geworden. Ferdinand II. hatte
in Böhmen verlassene Burgen schleifen lassen, unter Joseph II. waren allein in Prag 63
Kirchen bzw. Kapellen zwischen 1782-1790 profaniert oder baulich zerstört worden,
darunter die Bethlehems- und die Fronleichnamskapelle, Bauwerke, die in die europäische
Geschichte eingegangen waren20.
Sicher hat Josef Helfert im Haus des Dichters Karl Egon Ebert (hier lernte er
erwiesenermaßen Palacký kennen21) durch
die Klaarsche „Libussa“ und die Zeitschrift „Ost und West“, aber auch
im Bolzano-Kreis zu Prag und Liboch und im Umgang mit Jan Jeník von Bratøic, dem Hüter
des dahinsinkenden Rokoko in Prag, manche konkrete Anregung empfangen. Längst waren
altertümliche Stadtmotive, der Karlstein oder Schloß Friedland und andere heimische
Burgen in das Oeuvre Ludwig Kohls und des Pucherna-Kreises eingegangen. Der Hofmaler der
Herzogin von Sagan, der Wiener Akademieschüler Ernst Welker, zeichnete im ersten Drittel
des Jahrhunderts neben vielen denkwürdigen Lokalitäten jenes Schloß in Böhmen, das zum
Schauplatz eines der schönsten Romane der Weltliteratur werden sollte: Ratiboøice in
Ostböhmen, Handlungsort des Buches „Großmütterchen“ von Božena Nìmcová22.
All das, was diesem böhmisch-österreichischen Kreis des Vormärz seit Goethe, Forster
und Byron, seit den Brüdern Sulpice und Melchior Boisserée, Friedrich Schlegel,
Brentano, Birkenstock, dem Wiener Numismatiker Eckhel und seinem Neffen August
Rokert-Rokyta (einem gebürtigen Fulneker), seit Theodor Korner und
K. H. Mácha,
Tomášek, Tieck, der Frau van der Recke und nicht zuletzt Seumes „Reise nach
Syrakus“ bekannt gewesen, war Helfert nicht unbekannt geblieben. Nicht zuletzt haben
ihm die Gründung des Böhmischen Museums in Prag und die öffentliche Wirksamkeit
P. J.
Šafaøíks in Wien mächtige Impulse gegeben.
Darum überrascht es keineswegs, daß ein Jurist mit Sinn für Präzision und Terminologie
ein Buch über die Erhaltung van sakralen Denkmälern schreibt. Fand sich auf diesem
Gebiet doch viel Grund und Gegenstand zu Kritik und Tadel. Helfert ging von den in den
österreichischen Erblanden bestehenden Rechtsnormen aus, die er den Anforderungen des
kanonischen Rechtes anpaßte, um „durch planmäßige Zusammenstellung der die
kirchlichen Gebäude betreffenden Vorschriften“ eine vollständige Übersicht zu
erhalten23. Der Autor zählt zu den
kirchlichen Gebäuden im engeren Sinn noch Pfarrgebäude, Kirchhöfe und Totenhäuser. Wir
fürchten, ein ermüdendes Elaborat von Kameralvorschriften vorzufinden. Ganz im
Gegenteil. Gerade hier zeigt sich Josef Helfert als fesselnder Interpret seiner
bahnbrechenden Gedanken. Die Herrschaftsverwaltungen des Grundbesitzes als Repräsentanten
der Patronatsobrigkeit und der Betrieb in den Konsistorien des böhmisch-österreichischem
Josephinismus mit seinen zentralistischen Tendenzen hatten den zuständigen
Beamtenapparat, der für die Sakralbauten verantwortlich war, weitestgehend
bürokratisiert. Dies alles wirkte sich zum Nachteil der kirchlichen Denkmäler aus, die
nur als existierend betrachtet wurden, wenn sie entsprechende Fonds oder Stiftungstitel
besaßen. Von einem Verständnis für ihre geschichtliche und kunstwissenschaftliche
Bedeutung konnte in diesen Fällen keine Rede sein. All dies trug zu ihrem Verfall bei,
und Helfert entschloß sich, ihnen seine liebevolle Aufmerksamkeit zu schenken.
In der ersten Auflage seines Buches (Wien 1823) bearbeitet der Verfasser den Stoff in
einer Einleitung und drei Hauptstücken, von denen das erste wieder drei Kapitel umfaßt.
Das Hauptfeld denkmalpflegerischer Erörterungen ist im zweiten (Von der Erhaltung der
Kirchen und Pfarrgebäude), aber auch im dritten Kapitel zu finden (Von der Ausbesserung
und Herstellung der Kirchen- und Pfarrgebäude). Nach einer kurzen Definition des Begriffs
„kirchliches Denkmal“ macht uns Josef Helfert mit der älteren, meist
lateinischen Literatur zum Gegenstand aus der Zeit von 1580-1807 vertraut. Es folgen
einige Grundgedanken über die zeitgemäße Toleranzpraxis in den österreichischen
Ländern und dann, im zweiten und dritten Hauptstück der ersten Abteilung, die
Grundsätze der Denkmalpflege gemäß damaliger Anschauung. lm zweiten Teil führt Helfert
die Definition der pfleglichen Erhaltung eines Kunstdenkmals ins Feld. Er schreibt:
„Erhalten werden sie, wenn sie in Dach und Fach, das ist, in jenem Zustande
verbleiben, in welchem sie bei einem ordentlichen Hausvater zu jeder Zeit gefunden werden.
Dazu wird eine wachsende Aufsicht und die ungesäumte Vornahme aller kleineren Reparaturen
erfordert. Die Erhaltung setzt demnach nur geringe Kosten voraus, und findet so lange
statt, als sich das nähmliche nur ausbessern und zurichten läßt. Sie macht die
Herstellung unnöthig, oder hält sie doch fern. “24
Josef Helfert erweist sich hier als einer der frühen Anwälte einer präventiven
Denkmalpflege. Darum sollten keineswegs seine Ausführungen im § 32 über den
präventiven Schutz der Denkmäler vor Brandschaden vergessen werden. In diesem Paragraph
wird von ihm auch die Errichtung von Blitzableitern propagiert.
lm dritten Kapitel dieses Hauptstückes kommt der Autor auf die eigentliche Ausbesserung
(refectio) von Denkmälern und ihre Rekonstruktion (Herstellung, reparatio) zu sprechen.
Es ist für das Werk Josef Helferts, des Juristen von internationalem Ruf, besonders
charakteristisch, daß er in dieser frühen Phase des Denkmalschutzes zum Begründer einer
ersten wissenschaftlichen Terminologie geworden ist, die er dem Wortschatz seiner eigenen
Disziplin entnommen hat. Die Definition bei Josef Helfert lautet: „Alles, wodurch ein
dem Ganzen oder einem großeren Theile nach in schlechten Zustand gerathenes oder zu
Grunde gegangenes Gebäude wieder in einen guten Zustand versetzt oder aufgerichtet wird,
ohne Unterschied, ob hierbei die alte Form beibehalten, und der frühere Zustand wieder
hergestellt, oder ob das eine oder andere den gegenwärtigen Verhältnissen angeeignet
werde. Sie (die Ausbesserung und Herstellung; Anm. d. Autors) hat Statt, wenn entweder die
Erhaltung, durch welche sie eben verhütet worden ist, oder wenn Zeit und Unglücksfälle
ein Gebäude schadhaft machen oder zu Grunde richten.“25
Wir müssen uns vergegenwärtigen, daß die Postulate nach zweckmäßiger Pflege aller
sakralen Denkmäler in dieser von Helfert geprägten Formulierung von seiner persönlichen
Autorität unterstützt waren und auch von seiner Umgebung entsprechend verstanden und
aufgenommen wurden. Es ist in der einschlägigen Literatur auf diese Umstände kaum
hingewiesen worden, obwohl der Weiterbestand der Denkmäler in erster Linie Helfert zu
danken ist.
lm nächsten Abschnitt (§ 34) kommt abermals der Jurist Helfert zu Wort, wenn er die
Notwendigkeit der Renovierung baufälliger und devastierter Kirchen behandelt. Hier werden
Forderungen an die öffentliche Verwaltung gestellt. Der Autor spricht aus der reichen
Erfahrung seiner verwaltungsjuristischen Tätigkeit, wenn er den Begriff des Denkmals so
großzügig wie nur möglich faßt. Zwischen den scheinbar so nüchternen Zeilen des
zeitbedingten Amtsstils im österreichischen Statthaltereideutsch verrat der Liebhaber von
Kunstdenkmälern die Leidenschaft seines Lebens und sein absolutes lnteresse, um jeden
Preis das historische und künstlerisch wertvolle Denkmal zu retten. Er hat damals auf die
Möglichkeit hingewiesen, in Zweifelsfällen eine Veränderung im Verhältnis von ecclesia
matrix und filia eintreten zu lassen, wenn dies im lnteresse des bedrohten Denkmals war.
Manches gefährdete kirchliche Bauwerk verdankt dieser Helfertschen These seine
Weiterexistenz. Sagt er doch, man müsse „mit Wehmut“ zusehen, wie sakrale
Bauwerke ohne die nötigen Fonds für ihre Erhaltung dem Verfall entgegengehen, und sucht
darum als routinierter Jurist immer wieder eine Lücke im Verwaltungsapparat zu ihrem
Vorteil und ihrer Rettung. Es war dies nach jahrzehntelanger josephinischer Praxis kein
gering anzuschlagender Erfolg gegenüber den Vertretern des Fiskus, die
nur Benefizien mit Existenztiteln, aber keine Kunstdenkmäler anerkennen wollten.
lm weiteren beschäftigt sich Helfert mit dem administrativen Apparat, der an den
Maßnahmen einer Kirchenrenovierung beteiligt zu sein pflegte. Diese Kapitel werden für
den heutigen Historiker der Architekturgeschichte von Nutzen sein. Sie sprechen von
übersehenen und sehr wenig bekannten Einflüssen auf Fortschritt und Stagnation, soweit
sie rechtlicher Natur gewesen sind, wie etwa von Reservaten der Patronatsbehörden,
Fundautorenrechten, Beitragspflichten zum Benefizium und anderen Rechtsverbindlichkeiten,
die sich in der
Regel doch sehr maßgebend für den baulichen Fonds ausgewirkt haben. Die Archivalien
dieser Rechtstitel haben sich inzwischen geradezu als eine wahre Fundgrube für die
Baugeschichte oder Renovationen eines kirchlichen Denkmals erwiesen. Wir werfen mit
Helfert einen Blick auf jene Körperschaften, die direkt oder indirekt die Pflege von
Sakraldenkmalern betreut oder administriert haben. Zeitgeschichtlich interessant sind die
Abschnitte über Friedhofspflege. Es spielen hier neben romantischen Motiven neue
Postulate der zunehmenden Hygiene eine gewisse Rolle.
Das Buch ist mit einem Anhang und mit Tafeln sowie einer Anleitung zum Geschäftsstil bzw.
Gebrauch von Rubriken ausgestattet. Elf Jahre später, im Jahre 1834, erschien in der
Sommerschen Druckerei im ehemaligen St. Annenkloster der Prager Altstadt (CN° 948) eine
zweite, gründlich bearbeitete Auflage von Helferts Werk26. Der Autor berichtet im Vorwort, daß das Manuskript schon 1832
abgeschlossen war. Nächst dem erweiterten Vorwort bleibt zu erwähnen, daß der Verfasser
in die Neuauflage viele neue normative Bestimmungen aufnehmen konnte und manchem Kapitel
größeren Raum gewährt hat. So wuchs die zweite Auflage um mehr als zwei Drittel des
ursprünglichen Umfanges und enthält auch ein umfangreiches Register (Seiten 254-261). lm
§ 17 des ersten Hauptstückes findet sich ein eingehender Kommentar über den
liturgischen Charakter der kirchlichen Denkmäler und im weiteren, auf Seite 40, eine
kurze Anleitung zum Studium historischer Stile. Man kann sagen, daß dieser Abschnitt
über die traditionellen Stile (bei Helfert: byzantinischer, karolingischer, gotischer
Stil) zu den interessantesten Passagen der Neuauflage gehört. Ihr Kommentar unterscheidet
sich zwar kaum mehr von den durchschnittlichen Kenntnissen, die man
den zeitgenossischen Enzyklopädien entnehmen konnte, aber die Bedeutung liegt auf einem
anderen Gebiet des kulturellen Lebens: Man hat es hier mit einer sehr kurzen, aber
populären Kunstgeschichte für die Betreuer der kirchlichen Denkmäler zu tun. Es waren
die Kleriker, die - nach manchen indifferenten Generationen josephinischen
Staatskirchentums sich nun stark den vaterländisch-romantischen Themenkreisen und in
Böhmen der nationalen Wiedergeburt zuzuwenden begannen. So wird Helferts Beitrag zugleich
ein Beitrag zum Historismus des 19. Jahrhunderts. lnteressieren werden gewiß auch heute
noch Helferts Ansichten über Neubauten kirchlicher Objekte, ihren Stil und ihre
Ausschmückung. Er steht auf dem Standpunkt, daß hier das kanonische Recht völlige
Freiheit einräume. Diese Ansicht ist im Kreise der Enthusiasten des Denkmalkultes ein
vorromantisches Residuum. Noch während Helferts öffentlicher Wirksamkeit und sehr bald
nach seinem Tode wurde diese Auffassung von den Romantikern und ihren Gefolgsleuten, die
sich von den Formen der Neugotik angezogen fühlten, verdrängt. Adalbert Stifter wünscht
- wohl in Übereinstimmung mit den Repräsentanten der österreichischen Architektur
seiner Zeit, mit Heinrich von Ferstel und Franz Schmidt -, es mögen Neubauten von Kirchen
und Kathedralen im „altdeutschen Stil“ erfolgen27. Noch zu erwähnen bleibt, daß Helfert seine Neuauflage auch um viele
Stellen erweitert hat, die sich mit präventiver Denkmalpflege beschäftigen.
Das Buch Josef Helferts stellt ein bemerkenswertes und sehr frühes Dokument für die Zeit
fortschrittlicher Gedanken am Ausgang des Josephinismus unter dem Eindruck der Romantik
dar und fällt in die Epoche früher Formen der Denkmalpflege. Der hervorragende Prager
Rechtsgelehrte der Wiener Schule, selbst ein später Josephinist, stützt sich auf die
Normen des bestehenden Rechts und bemüht sich um eine erste Kodifizierung
rechtlich-administrativer Denkmalpflege, die er mit den tatsächlichen Anforderungen und
Bedürfnissen in Einklang zu bringen bemüht ist. Das Buch zeugt vom
überdurchschnittlichen Bildungsniveau seines Verfassers. Manche Maßnahme dieser Zeit
wird uns nach der Lektüre des Buches verständlich.
Wir glauben den Versicherungen von Josef Alexander Helfert, daß das Werk seines Vaters
viel Anklang gefunden hat28. Hat es doch in
nicht geringern Maße dazu beigetragen, daß bald nach seinem Erscheinen spezielle
Körperschaften bestellt wurden, die ihr statutarisches Hauptaugenmerk dem Schutz der
Denkmäler widmen sollten.
Noch zu Josef Helferts Lebzeiten, im Jahre 1845, wandte sich die archäologische Sektion
des Böhmischen Nationalmuseums mit einer programmatischen Schrift und einem Aufruf an die
Öffentlichkeit, in denen sie, im Einklang mit den Förderungen von
František Palacký, die Erfordernisse der nationalen Denkmalpflege in Böhmen darlegt und praktische
Anleitungen zur Mitarbeit beifügt29. N ur
sechs Jahre nach Josef Helferts Tod, im Jahre 1853, nahm die Zentralkommission in den
österreichischen Kronländern ihre Tätigkeit auf. Damals standen die böhmischen
Länder, was die Zahl der Konservatoren betrifft, ohne Zweifel mit an der Spitze aller
Bestrebungen, diese fortschrittlichen Tendenzen zu verwirklichen30.
Es erübrigt sich beinah, daran zu erinnern, das aus den gleichen Motiven sowie dem Ethos
vaterländischen Geschichtsbewußtseins im Jahre 1859 der Dombauverein zu St. Veit in Prag
entstanden ist. Wenn wir zu den Anfängen des Denkmalkultes in den böhmischen und
österreichischen Ländern zurückblicken, müssen wir die Person und das Werk Josef
Helferts berücksichtigen. Er war mit seinem Buch über die kirchliche Denkmalpflege einer
der ersten, die zur praktischen Lösung ihrer Bedürfnisse den Grundstein gelegt haben31. Er gehört somit zu den markanten
Vertretern der Disziplin in jenem Zeitabschnitt, der den organisatorischen Formen unserer
heutigen öffentlichen Denkmalpflege unmittelbar vorangegangen ist.
Poznámky:
1 Zd. Wirth, Jos. Alex. svob. pán Helfert. Èasopis
spoleènosti pøátel starožitností, XVIII, 1910. - H. Rokyta, Jaroslav Helfert. K 75,
narozeninám, 27. 9. 1883. Zprávy památkové péèe, XVIII, 1958, 5-6. zpìt
2 Joseph Georg Meinert (1773-1844), Prager
Universitätsprofessor und Begründer der Ethnographie in den böhmischen Ländern. zpìt
3 Sign. „Helfert Josephus 8. Augusti 806“. lm Besitz
der Familie Dr. Jaroslav Helfert, Potštejn, Böhmen. zpìt
4 V. Nešpor, Dìjiny university Olomoucké, Olomouc 1947. zpìt
5 Joseph Alexander Freiherr von Helfert, lm Elternhaus.
Sonderabdruck (auf dem Titelblatt fälschlich „Aus dem Elternhaus“) in:
„Die Kultur“, 1906, Heft 4, hg. von der Österreichischen Leo-Gesellschaft in
Wien. zpìt
6 Justus Möser (1720-1794), Patriotische Phantasien, 4 Bde.,
Berlin 1775ff. zpìt
7 J. A. H. (= Josef Alexander Helfert), Josef Helfert.
Biographisches Denkmal. Mit dem gestochenen Bildnisse - J. Mánes
gez. -, Stahlstich v. Carl Mayer. Prag und Leipzig 1856, Libussa, Jahrbuch für 1856, S.
385-386. zpìt
8 Josef Helfert ruht an der Seite seiner Gattin Anna, der
Schwester des Statistikers Dr. Franz Schreiner aus Preßburg (Bratislava), und seiner im
zarten Alter verstorbenen Kinder Friederike, Auguste und Emanuel auf dem Olšaner Friedhof in Prag (II, 3, 500). Das Grab Professor
Josef Helferts schmückt ein Sandsteinmonument in Gestalt eines flachen Obelisken mit den
Symbolen der Jurisprudenz. Die Grabinschrift lautet: „Joseph Helfert, Dr. der Rechte,
k. k. o. o. Professor des röm. Zivil- und Kirchenrechtes an der Karl-Ferdinandeischen
Universitat, fürsterzb. Consistorialrath zu Prag, geb. zu Plan den 28. Oct. 1791, gest.
zu Jungbunzlau am 9. Sept. 1847. Tief im Wissen, klar in Einsicht; fest im Willen, rastlos
im Thun, stark im Glauben, aufopfernd in der Liebe. Dem besten Vater die dankbaren Kinder:
Joseph Alexander und Maria Anna“. zpìt
9 Zd. Wirth, Devádesat let Jednoty svatovítské. Vortrag
anläßlich des 90. Jahrestages der Gründung des Dombauvereins zu St. Veit auf der Prager
Burg, gehalten am 22. Mai 1949 im Palais Lobkowitz, Hradschin. - H. Rokyta, Kateøina
Klouèzková. K stému výroèí smrti zapomenuté romantické básníøky (9. 1. 1958).
Èasopis spoleènosti pøátel starožitností, LXVI, 1958, Nr. 2. zpìt
10 J. A. H., a. a. O., S. 352. zpìt
11 Christian Friedrich Ritter d'Elvert, geb. 1803, mährischer
Historiker; Peter von Chlumecký, geb. 1825, mährischer Historiker. zpìt
12 H. Rokyta, Nálezy na hradì Giebichenstein. Zprávy
památkové péèe, XXI, 1961, Nr. 5-6. zpìt
13 J. W. Goethe, Über Kunst und Altertum in den Rhein- und
Main-Gegenden, in: Altertum und Kunst, Cotta 1816. zpìt
14 H. Rokyta, Vincenc Weintridt und die Anfänge des
Denkmalkultes in Österreich und Mähren. Manuskript eines Vortrages im Prager
Historischen Klub (Original in tschechischer Sprache). Vgl. Anm. 29. zpìt
15 Alte teutsche Volkslieder in der Mundart des Kuhlandchens.
Herausgegeben und erläutert von Josef George Meinert. Erster Band, Wien und Hamburg 1817,
Neudruck in Brunn 1909. zpìt
16 Professor J. G. Meinert ist der Verfasser der lateinischen
Inschrift am Brünner Monument von Josef Dobrovský auf
dem Zentralfriedhof. zpìt
17 V. Nešpor, a. a. O. zpìt
18 Ausführlich bei H. Rokyta, a. a. O. zpìt
19 H. Rokyta, Das „Rosenhaus-Motiv“ bei Božena Nìmcová, in: Vierteljahrschrift des
Adalbert-Stifter-lnstituts, VIII, Linz 1959, Folge 3/4. zpìt
20 Zd. Wirth, Stará Praha, Prag 1937. zpìt
21 V. J. Nováèek, Františka Palackého korespondence a
zápisky, Prag 1898. zpìt
22 H. Rokyta, Ernst Welker (1788-1857). K stému výroèí
úmrti prvního malíøe zámku Ratiboøického. Zprávy památkové péèe, XVIII, 1958,
Nr. 1-2. zpìt
23 Vorwort zur ersten Auflage von Josef Helfert, Von der
Erbauung, Erhaltung und Herstellung kirchlicher Gebaude, Wien 1823. zpìt
24 Josef Helfert, a. a. O. zpìt
25 Ebendort. zpìt
26 Die erste Auflage war bei J. G. Ritters v. Mosle sel. Witwe
in Wien erschienen (1823). zpìt
27 Adalbert Stifter, Vermischte Schriften, hg. von Johannes
Aprent, I. Bd. (1869). zpìt
28 J. A. H. (= Josef Alexander Helfert), Josef Helfert.
Biographisches Denkmal, a. a. O. zpìt
29 O Starožitnostech Èeských a o potøebì chrániti je
pøed zkázou. Wydáním èeského Národního museum, Prag 1845; mit einer Beilage:
„Oznámeni“, Prag, 5. März 1846. Od Sboru archeologického èeského
národního museum. - H. Rokyta, Vincenc Weintridt a zaèátky péèe o památky v
Rakousku a na Moravì v dobì pøedbøeznové. Umìní, XII, 1964 (mit einem bis dahin
unbekannten Brief von František Palacký vom II.4. 1840). zpìt
30 Jahrbuch der k. k. Central-Commission zur Erforschung und
Erhaltung der Baudenkmals, Wien 1856. zpìt
31 Die Bibliographie Josef Helferts ist im Anhang an die
Biographie aus Joseph Alexander Helferts Feder, a. a. O., S. 385-386 abgedruckt.
Würdigungen von Josef Helferts Leben und Werk sind zu finden in: Lexikon für Theologie
und Kirche, IV, 1932; Michael Buchberger, Kirchliches Handlexikon, II, 1904; Allgemeine
Deutsche Biographie, Leipzig 1880, Bd. II, S.688-690, v. J. Fr. Ritter von Schulte; Const.
Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, VIII, Wien 1862; Wiener
Kirchenzeitung, 1856, Nr. 60; Neuer Nekrolog der Deutschen, Weimar 1849; Oesterreichische
National-Encyklopädie von Graffer und Czikan, Wien 1853; Rieger,
Slovník nauèný, III, 1863; Èeský slovník bohovìdný, IV, 1930. zpìt |